Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren seit 1998
- Integration von sinnvollen und seriösen Naturheilverfahren in die jeweiligen medizinischen Konzepte seit 1998
- Besonderer Schwerpunkt: alternative Therapien in der Krebsheilkunde
- Sprechstunde “Krebs und Naturheilverfahren”
- Lotsenfunktion: Trennung von sinnvollen und nutzlosen oder schädlichen alternativen Therapieansätzen
- Ziel: Schutz des Patienten wo nötig, zusätzliche Hilfe wo sinnvoll
- Beratender Fachexperte für Medienbeiträge zu dem Thema
Interview mit #Beckmann anlässlich der ARD-Sendung „Ich mach Dich gesund!“ Scharlatane und falsche Heiler am 23.03.2015 | 20:15 Uhr
Sie sind Strahlentherapeut mit der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren. Wie verbinden Sie diese beiden Felder?
Dr. Peter Max Stoll: Ich glaube, dass es bei der Behandlung von Krankheiten unerlässlich ist, den ganzen Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Den Ansatz, nur eine Krankheit zu behandeln, halte ich insbesondere bei sehr schweren Erkrankungen, die ein Höchstmaß an Belastungen für Körper und Seele mit sich bringen, für viel zu kurz gegriffen. Natürlich wirkt man manchmal auf andere wie ein Exot, wenn man sich in einem so hochtechnisierten Gebiet wie der Strahlentherapie auch um das sprichwörtlich andere Ende der Medizin, also die natürlichen Heilmethoden, kümmert. Andererseits liegt genau darin eine Chance, weil man eine große Palette an Möglichkeiten überblickt. Außerdem ist die Strahlentherapie traditionell ein Fach, in dem man sehr eng mit Kollegen aus vielen anderen Gebieten zusammenarbeitet. Seriöse und möglichst effiziente Therapiemethoden mit dem Ziel, für den kranken Menschen das Beste herauszuholen - da darf auch ein "Hightech-Arzt" keine Berührungsängste vor den sanften Therapien haben.
Können naturheilkundliche Verfahren eine Krebstherapie unterstützen? Welche Verfahren sind das? Gibt es dazu Studien?
Stoll: Grundsätzlich werden seriöse Krebstherapien immer auf der Basis von umfangreichen Studien entwickelt. Die Krebstherapie, die aus den drei Säulen Operation, Strahlentherapie und Systemtherapie, also im weitesten Sinne Therapie mit Medikamenten, besteht, konnte die Heilungserfolge in den letzten Jahren zum Teil exorbitant verbessern. Dennoch verlieren wir noch immer Patienten an diese Erkrankung und daher müssen sämtliche therapeutischen Möglichkeiten genutzt werden, um die Ergebnisse weiter zu verbessern. Es ist bekannt, dass zum Beispiel viele "natürliche" Stoffe, wie Mistelextrakt oder Enzyme, oder verschiedene Entspannungsverfahren eine positive Wirkung auf den Verlauf einer Krebserkrankung haben können. Die Beurteilung, ob solche Verfahren individuell zum Einsatz kommen, sollte jedoch Experten vorbehalten sein, die die jeweilige Erkrankung und alle therapeutischen Möglichkeiten einschätzen können, da man andernfalls den Therapieerfolg riskiert. Eine Institution, die sich schon lange mit der Wertigkeit verschiedener Naturheilverfahren beschäftigt, ist das Institut für die Evaluation von Naturheilverfahren in der Medizin der Universität zu Köln. Es gibt ähnliche Einrichtungen aber mittlerweile an vielen großen medizinischen Universitäten.
Wann werden alternative Heilverfahren gefährlich für den Patienten? Kennen Sie Fälle aus Ihrer Praxis, bei denen jemand mit seiner Krebserkrankung zu spät zu Ihnen kam?
Stoll: Gefährlich wird es immer dann, wenn es ideologisch wird. Wenn dazu dann noch eine Mischung aus Unwissenheit, Skrupellosigkeit und Geldgier kommt, wird es fatal und nicht selten auch kriminell. In den fast 20 Jahren meiner Tätigkeit hatte ich leider immer wieder derartige Fälle und musste so einige Menschen sinnlos sterben sehen. Einer meiner ersten Fälle war ein junger Mann, so alt wie ich damals, der mit einem theoretisch sehr gut heilbaren Hodentumor zu uns kam - allerdings kam er im durchmetastasierten Endstadium der Erkrankung. Wir verloren ihn, bevor unsere Therapie überhaupt greifen konnte. Hinterher hieß es dann: "Die Schulmedizin konnte ja auch nichts ausrichten." Er hatte sich bis dahin monatelang nur mit Klangschalen "behandeln" lassen. So etwas vergessen Sie nicht. Besonders schockierend fand ich schon immer, dass diejenigen, die den Menschen so etwas antun, oft ungeschoren davonkommen.
Warum wenden sich Menschen von der "Schulmedizin" ab und vertrauen auf zumindest fragwürdige Methoden, die keine Krankenkasse zahlt?
Stoll: Das hängt mit der allgemeinen Vertrauenskrise zusammen, in welche die früher sehr fortschritts- und technikgläubigen westlichen Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten geraten sind. Auf den Arzt runtergebrochen könnte man sagen: Früher war er der Gott in Weiß, heute begegnet man ihm oft vor allem mit Misstrauen. Das merken Sie gerade auch, wenn Sie mit Strahlen behandeln. In das Vakuum, das dadurch in der sehr speziellen Beziehung zwischen Arzt und Patient entstanden ist, stoßen verheißungsvolle und oft möglichst exotische Angebote, die sehr oft nur das Bedürfnis bedienen, an etwas wirklich Authentisches, Wahrhaftiges glauben zu wollen. Das ist ein zutiefst menschliches und wichtiges Bedürfnis; wichtig gerade auch in der Krebstherapie! Wie kann ich Hoffnung auf Heilung oder Linderung haben, wenn ich meinen Ärzten nicht vertraue?
Wodurch werden deren Ansichten weiter bestärkt? Welche Rolle spielen hier die Firmen, die die Produkte dazu vertreiben?
Stoll: Das hat vielschichtige Ursachen. Sicher haben wir Ärzte in der Vergangenheit zu wenig auf unsere Patienten gehört, haben deren Wünsche und Sorgen oft nicht ernst genug genommen. Ein Umdenken findet aber seit geraumer Zeit statt, obwohl es angesichts der systemimmanenten Zwänge schwierig ist, das umzusetzen. Wie kann man zum Beispiel einem Mitmenschen behutsam offenbaren, dass er Krebs hat, wenn Arbeitszeit im Minutentakt abgerechnet werden muss? Andererseits spielen leider auch Sie, die Medien, eine oft fatale Rolle, indem immer wieder Misstrauen gegen die kalte Schulmedizin geschürt wird. Wenn die Folgen sichtbar werden, wie jetzt bei der Masernepidemie in Berlin, wird zwar schnell umgesteuert. Aber dann ist es oft schon zu spät. Hinzu kommt, dass das Thema Krebs ein Riesenmarkt ist, der natürlich auch unseriöse Anbieter anzieht - niemandem sitzt das Geld lockerer in der Tasche als einem vom Tode Bedrohten, dem man Heilung verspricht.
Wie kann man dem Misstrauen dieser Menschen entgegenwirken?
Stoll: Im Prinzip müssen wir uns nur mal in die Rolle des Anderen versetzen und uns fragen, was wir uns von unserem Arzt oder Patienten wünschen würden, wären wir an dessen Stelle. Als Patient mit einer schweren Krankheit möchte ich einen so professionellen wie einfühlsamen Arzt haben, der sich für mich möglichst Zeit nimmt und alles tut, um mir zu helfen. Und als Arzt möchte ich einen Patienten haben, der mir vertraut ohne dabei unkritisch zu sein. Wem das zu theoretisch ist: Ich habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit einer Sprechstunde "Krebs und Naturheilverfahren" gemacht. Da kann jeder kommen und seine Fragen stellen und wenn ich eine Therapie nicht kenne, dann mache ich mich - oft genug zusammen mit den Patienten - schlau und wir reden dann darüber. So sieht er, dass sein Arzt zwar auch nicht alles weiß. Aber er sieht auch, dass sein Arzt seine Sorgen und Fragen ernst nimmt. Eines sollte man bei alldem aber nicht vergessen: In Deutschland werden - vielleicht mit ganz wenigen Ausnahmen - immer noch die Kosten für alle Krebstherapien, deren Nutzen seriös nachgewiesen ist, von den Kassen übernommen. Patienten sollten daher äußerst vorsichtig sein, wenn sie teure Therapien aus eigener Tasche bezahlen sollen.
Quelle: ARD / #Beckmann